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In meinem letzten Editorial beleuchtete ich ja schon den gerade entstehenden VR-Markt an PC und Konsolen (VR = Virtual Reality oder Virtuelle Realität). Unterschlagen hatte ich dabei die mobilen Lösungen, die mit einem Smartphone gekoppelt werden. Schon 2015 berichtete das UM Online über Google Cardboard, eine Papp-(oder Plastik-)Hülle mit Linsen, in die ein solches Handy gesteckt werden kann. Etwas raffinierter ist Samsung Gear VR, welche allerdings nur mit Geräten des koreanischen Herstellers funktioniert.

Ende 2015 erschien die Brille, oder besser gesagt das Head-Mounted Display (HMD), mit der Bezeichnung SM-R322, kompatibel mit den Galaxy-Smartphones S6, S6 Edge, Note 5, S7 und S7 Edge. Eine Zeitlang erhielten Käufer der beiden letztgenannten Modelle es sogar kostenlos dazu. Das Nachfolgemodell SM-R323 wurde im August 2016 gemeinsam mit dem Galaxy Note 7 veröffentlicht. Dieses schlug ja bekanntlich ein wie eine Bombe und musste wenige Monate später vom Markt genommen werden. Glücklicherweise funktioniert die aktuelle Revision der Gear VR auch weiterhin mit den genannten älteren Modellen. Seit September befindet sich das etwa 100 € teure Gerät in meinem Besitz und in Benutzung mit einem Galaxy S6. Nun will ich von meinen Erfahrungen berichten.

Gear VR mit Abdeckung

Die Hardware

Die von Samsung in Zusammenarbeit mit VR-Pionier Oculus gefertigte Gear VR besteht hauptsächlich aus einem Plastikgehäuse mit zwei Linsen, Trageriemen und Schaumstoffpolstern. Im Gegensatz zu Cardboard steckt darin aber auch einiges an Technik. Da ist zum Einen der USB-Stecker, an den das Smartphone angeschlossen wird. Das Modell SM-R323 setzt wie das Galaxy Note 7 auf den Anschlusstyp USB Typ-C. Der Stecker lässt sich aber abnehmen und austauschen, im Lieferumfang ist auch einer für das klassische Micro USB vorhanden. Auch die außen am Gehäuse befindliche Anschlussbuchse für das Ladekabel benutzt den neuartigen Anschluss, ein Adapter für die ältere Varianten ist aber auch dabei. Benutzt habe ich diesen Anschluss übrigens noch nie, ist doch die Kabellosigkeit ein großer Pluspunkt gegenüber den leistungsfähigeren, aber an PC oder Konsole gebundenen Konkurrenten. Das HMD selbst wird dabei ohnehin nicht geladen, die Stromzufuhr kommt vom Handy-Akku.

Seitenansicht mit BedienelementenEin weiteres wichtiges Feature sind die Bedienelemente an der rechten Seite. Im Bild rechts zu sehen ist mittig das Touchpad, davor der Lautstärkeregler und darüber die "Zurück"- und "Home"-Buttons. Das alles ist so gestaltet, dass es sich auch gut "blind" bedienen lässt. Dazu hat das HMD einige Sensoren für das Tracking der Bewegungen und um zu erkennen, wenn man es auf- oder absetzt. Den Rest, also die Berechnung der auf dargestellten Inhalte sowie die Darstellung selbst, übernimmt das Handy. Oben auf dem Headset befindet sich noch das Fokussierrad, mit dem man die Schärfe des BIlds reguliert.

Innenansicht mit BrilleDas SM-R323 ist gegenüber den Vorgängermodell gleichzeitig größer und leichter, damit erhöhen sich sowohl Sichtfeld wie auch Tragekomfort. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass es bei dieser Revision problemlos möglich ist, eine normale Brille unter dem "Helm" zu tragen (s. Bild). Aber natürlich ist das von Größe und Form der Gläser abhängig.

Die Einrichtung

Schließt man das Handy also an und setzt die Brille erstmals auf, wird man aufgefordert, die Oculus-App zu installieren. Dort muss man einen Account anlegen, bevor man schließlich in die virtuellen Welten eintauchen kann. Ruft man diese App im normalen Handy-Betrieb auf, präsentiert sich ein Download-Shop ähnlich dem Play Store. Interessanterweise funktioniert die Oculus-App aber völlig unabhängig von diesem, sondern wird über den Facebook App Manager verwaltet. Setzt man nun aber die Brille auf, während die App läuft, findet man sich in einem virtuellen Wohnzimmer wieder, in dem ein Menü schwebt.

Hier lassen sich einige bereits vorinstallierte Apps starten und natürlich die über den Oculus Store heruntergeladenen. Man wird auch ermutigt, seinen Account mit Facebook zu verknüpfen, aber das kann man einfach ignorieren. Für den Anfang hat man z.B. Zugriff auf 360-Grad-Fotos und ebensolche Videos. Unter dem entsprechenden Menüpunkt werden mehrere Quellen angeboten, von denen man Filmchen streamen oder herunterladen kann. Darunter natürlich Facebook (wo das Streaming meiner Erfahrung nach eher schlecht funktioniert) sowie Twitch und Vimeo. YouTube allerdings nicht - das ist dafür im Internet-Browser, den man unter "Samsung Internet" findet, auf der Startseite als Favorit hinterlegt. 360-Grad-Videos, in denen man sich frei umschauen kann, machen schon einen coolen Eindruck. Richtig faszinierend wird es aber, wenn auch noch ein stereoskopischer 3D-Effekt dazukommt. Dann fühlt man sich endgültig mittendrin im Geschehen. Gear VR und Oculus Store bieten zahlreiche Möglichkeiten für solche Erlebnisse. Über ein paar Dinge muss man sich aber klar sein: Die Perspektive ist immer auf einen festen Punkt beschränkt. Zwar kann man sich in alle Richtungen umsehen, aber nicht durch Bewegungen des Kopfes oder Körpers im virtuellen Raum bewegen. Das kann etwas irritieren, wenn man sich vorbeugt, und die Welt um einen herum bewegt sich mit. Auch der umgekehrte Weg kann zu Unwohlsein führen: Sitzt man auf der Stelle, aber bewegt sich in der virtuellen Welt mit einer gewissen Geschwindigkeit, kommt das menschliche Gehirn durcheinander. Von Übelkeit, die im Zusammenhang mit VR immer gerne zitiert wird, kann ich zwar nicht berichten, aber leichte Schwindelgefühle sind bei mir schon aufgetreten.

Zur Technik

Wie erwähnt dient das Handy-Display zur Darstellung der Bilder, die dann dank der direkt vor den Augen dargestellten Linsen dreidimensional erscheinen. Gleichzeitig muss der Prozessor des Smartphones natürlich berechnen, was dargestellt wird. Der Akku muss zudem auch das HMD mit Strom für die Bedienelemente versorgen. Da wundert es nicht, dass der Akku sich relativ schnell leert - es ist aber nicht so, dass man nach einer halben Stunde eine Pause einlegen müsste, um ihn aufzuladen. Ein Problem bei längerem Betrieb ist eher die Hitzeentwicklung. Zumindest bei meinem S6 ist diese beträchtlich. Je nachdem, was man in den virtuellen Welten so treibt, kann recht bald eine Meldung erscheinen, dass das Gerät abkühlen muss, "um die optimale Leistungsfähigkeit zu gewährleisten". Ignoriert man diese, wird der Prozessor offenbar heruntergetaktet, denn das Bild beginnt zu ruckeln. Für die Immersion ist das natürlich tödlich und vermutlich auch für die Innereien des Smartphones nicht besonders gesund. Es empfiehlt sich also, die Warnung ernst zu nehmen. Übrigens habe ich festgestellt, dass die Überhitzung besonders schnell beim Video-Streaming aus dem Internet, z.B. über YouTube, eintritt. Heruntergeladene Videos sind dagegen weniger problematisch. Ob andere Handymodelle sich hier anders verhalten, kann ich leider nicht sagen. Wenig überraschend können auch grafisch aufwendige Spiele der Hardware schnell "einheizen".

Da das Display sehr nahe an den Augen sitzt und durch die Linsen noch vergrößert wird, sieht man, trotz der hohen Auflösung heutiger Handy-Displays, gerade in hellen Bildbereichen ein deutliches Pixelraster, also einen feinen schwarzen Rahmen um jeden Bildpunkt. Dies nennt man auch "Fliegengitter-Effekt". Wer allerdings der Faszination von VR erliegt, vergisst das schnell wieder. Dazu trägt auch das ohne merkliche Verzögerung funktionierende Headtracking bei. Für das beste Erlebnis empfehlen sich außerdem Kopfhörer sowie ein Drehstuhl, um das 360-Grad-Erlebnis komfortabel zu genießen. Mein einziger Kritikpunkt am oben erwähnten "Wohnzimmer-Menü" ist übrigens, dass dort nicht die Uhrzeit angezeigt wird. Mit der Gear VR auf dem Kopf kann man eben nicht einfach mal auf die Uhr schauen, so dass man leicht die Zeit aus den Augen verliert - oder das Gerät eben mal kurz abnehmen muss.

Generell muss ich sagen, dass die Leistung für den Preis von knapp 100 € beeindruckend ist. Natürlich muss man noch die Kosten für das Handy dazurechnen, aber das ist bei der "größeren" Konkurrent auch nicht anders. PlayStation VR kostet das Vierfache, bringt aber nichts ohne eine PlayStation 4 mit Kamera. HTC Vive und Oculus Rift schlagen mit bis zu 900 € (inkl. spezieller Controller) zu Buche und benötigen dazu noch einen potenten PC.

Gear VR mit eingesetztem Galaxy S6

Ausblick

Da der Artikel nun schon lang genug geworden ist, beende ich ihn an dieser Stelle. Im bald folgenden zweiten Teil stelle ich eine Auswahl an kostenlosen Apps und Spielen vor, die ich selbst ausprobiert habe. Etwas später soll ein dritter Teil folgen, der zeigt was man, vor allem im Gaming-Bereich, bekommen kann, wenn man bereit ist, noch etwas mehr Geld zu investieren - nicht nur für die Spiele selbst, sondern auch für Peripherie. Denn mit einem Gamepad als Steuergerät ist einfach mehr möglich als nur mit dem Touchpad.