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Dezentrales Arbeiten, Coworking, liegt im Trend. Aus dem Telearbeitsplatz der 90er-Jahre ist längst ein internetgestützter, multimedialer Arbeitsraum geworden, der dort ist, wo wir sind. Coworking Spaces, das sind Büroarbeitsplätze auf Zeit, spontan mietbar mit fertiger Infrastruktur (Telefon, Fax, Netzwerk, zentrale Drucker etc.), und ermöglichen es dem Einzelkämpfer, Freelancer zumeist, mithilfe diverser Onlinewerkzeuge flexibel, zeit- und ortsungebunden mit anderen Menschen zu arbeiten. Zeitversetzt oder live. Aus den vielen Tätigkeiten, die gemeinsam dezentral angegangen werden können, haben wir uns die Textbearbeitung in Echtzeit einmal näher angesehen.

Textbearbeitung online

Es gibt mittlerweile diverse Tools, um gemeinsam Texte über das Web zu bearbeiten - z.B. Microsofts WebApps oder die GoogleAps. Aber diese haben oft einen Nachteil: Mehrere User können nicht zeitgleich einen Text bearbeiten. Bearbeitet ein User ein Dokument, so können andere dieses entweder nur als Kopie öffnen oder müssen mit dem Bearbeiten warten, bis der erste User seine Änderungen gespeichert und das Dokument geschlossen und damit freigegeben hat.
Google Wave bietet dagegen die Möglichkeit, dass mehrere User zeitgleich an einem Dokument arbeiten. Sehr handlich ist dessen Beta-Version aber nicht. Man erkennt z.B. nicht, wer gerade etwas verändert hat. Besser löst das Problem die OpenSource-Software Etherpad (http://etherpad.org/).

Das OpenSource-Werkzeug Etherpad

Etherpad wurde ursprünglich von der Firma AppJet Inc. entwickelt. Diese wurde vor einiger Zeit von Google übernommen. Daraufhin hat Google die Server von EtherPad.com abgeschaltet - wohl um das eigene Produkt Wave zu fördern. Aufgrund massiver Proteste der Netzgemeinde machte Google dann eine Kehrtwende und stellte den EtherPad-Code als OpenSource zur Verfügung.

Diese erfordert eine Installation auf einem Webserver, was allerdings nicht ganz einfach ist und nur von Usern durchgeführt werden sollte, die mit der Linux-Kommandozeile vertraut sind und darüber hinaus schon mal das eine oder andere Softwarepaket installiert haben.

Möchte man sich diese Arbeit sparen, so kann man auf einen der zumeist kostenlosen Etherpad-Anbieter zurückgreifen. Diese bieten meistens nur öffentliche Etherpads an, einige, wie z.B. iEtherpad ermöglichen aber auch eine (kostenlose) Registrierung und bieten damit geschlossene Benutzergruppen (Teamsites). Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten privater und geschlossener Pads kommen wir im folgenden Abschnitt.

Und so funktioniert's

Public Sites

Startseite von ietherpad.comEs gibt bei Etherpad zwei Möglichkeiten, um ein Dokument (ein "Pad") zum gemeinsamen Arbeiten zu erstellen. Man kann zum einen ein öffentliches (public) Pad aufrufen. Zu diesem hat jeder Zugang, der die URL kennt. Das klingt zunächst einmal ziemlich unsicher, allerdings besteht die URL aus wahllos aneinander gereihten Buchstaben (beispielsweise http://piratenpad.de/snhSaOFuwb) und ist nicht einfach zu erraten. Ungebetene Gäste während der Arbeit sind daher ziemlich unwahrscheinlich. Hacker können natürlich durch ein Skript automatisiert solche kryptischen URLs generieren lassen, so dass man durch Ausprobieren durchaus auf existierende Pads stoßen könnte. Ein aufwändiges und wenig sinnvolles Verfahren, aber vieles, was Hacker tun, erscheint aufwändig und sinnlos.

Teamsites

Will man auf Nummer sicher gehen, so sollte man einen Anbieter wählen, der die Erstellung von sogenannten Teamsites gestattet. Hier erstellt man einen Account, der über eine Subdomain [1] angesprochen wird und einen Login erfordert sowie für die Mitarbeit die Hinterlegung von Accountdaten durch den Administrator. Management der Pads innerhalb einer TeamsiteNach dem Einloggen sieht man eine Übersicht aller Etherpads und kann auch neue anlegen. Will man User zu einem neuen Pad einladen, so teilt man ihnen einfach die URL mit (Beispiel: http://meinteamname.ietherpad.com/1 ). Nach dem Einloggen kann der User nun an diesem Pad mitarbeiten. Darüber hinaus gibt es noch eine weitere Sicherungsmöglichkeit. Jedes Etherpad kann mit einem Passwort gesichert werden. So kann der Zugriff weiter eingeschränkt werden, indem man das Passwort nur ausgewählten Teammitgliedern zur Verfügung stellt oder man sperrt ein Pad nach der Fertigstellung mittels Passwort gegen weitere Änderungen.

Eingabefeld mit EditorDas Pad selber ist nicht viel mehr als ein einfacher Texteditor mit einigen wenigen Auszeichnungsmöglichkeiten: fett, kursiv, unterstreichen, durchstreichen, einrücken, hochstellen, tiefstellen und Aufzählungen. Daneben kann man noch verschiedene Zeichensätze verwenden und die Schriftgröße ändern. Mehr Gestaltungsmöglichkeiten gibt es nicht.

Ein wichtiger Unterschied zu einem normalen Editor ist jedoch die Eigenschaft von Etherpad, die Beiträge eines jeden Autors mit einer eigenen Farbe kenntlich zu machen (s. Screenshot). Je nach verfügbarer Zahl an Farben ist die Zahl der Autoren, die man unterscheiden kann, begrenzt. Wobei es in der Praxis eher selten sein dürfte, dass mehr als fünf bis sechs User gleichzeitig an einem Dokument arbeiten. Will man zwischendrin die Übersicht verbessern, so kann man die Farbmakierung mit einem Mausklick auf "Pad Options >> Authorship colors" vorübergehend deaktivieren. Die Markierungen gehen dabei nicht verloren und ein erneutes Häkchen bei der Option "Authorship colors" lässt sie wieder erscheinen (Achtung: der Button mit den drei durchgestrichenen Farbkreisen direkt über dem Texteingabefeld löscht alle Farben endgültig!). Auch die Zeilennummern lassen sich an dieser Stelle ein- oder ausblenden.

Eine Zoomfunktion gestattet es, die Anzeige zwischen 85% und 300% einzustellen was die Lesbarkeit der Texte oder die Übersicht verbessert. Ebenso läßt sich die rechte Seitenleiste mit der Anzeige der Autoren, die Online sind und dem Chat, abschalten.

Timeslider und RevisionsverwaltungInteressant ist noch die Funktion, sogenannte "Revisions" eines Dokuments zu speichern, d.h. Momentaufnahmen, zu denen man jederzeit zurückkehren kann. Den Werdegang eines Dokumentes kann man sich jederzeit über den "Time Slider" anzeigen lassen. Wie im Zeitraffer werden hier alle jemals durchgeführten Änderungen wiedergegeben – praktisch, um zu sehen, wann etwas gelöscht oder geschrieben wurde.

Dokument fertig - und nun?

Wenn das Dokument fertig bearbeitet ist, will man es in der Regel mit anderer Software weiter bearbeiten. Dafür bietet EtherPad verschiedene Export-Formate: HTML, Plain Text, Bookmark file, Microsoft Word, PDF und OpenDocument. Importieren kann man Texte natürlich auch. Es steht ein Datei-Upload für die Formate HTML, Word und RTF zur Verfügung. Man muss hier allerdings beachten, dass spezielle Formatierungen und Tabellen ebensowenig übernommen werden wie Grafiken.

Will man während der gemeinsamen Arbeit keine Skype- oder Telefonverbindung aufbauen, so steht rechts neben dem Pad noch ein Chat zur Verfügung. Der ist zwar nicht so komfortabel wie z.B. Trillian mit ICQ, für den gelegentlichen Gedanken- oder Meinungsaustausch aber ausreichend.

Nach getaner Arbeit verbleibt das Etherpad in der Regel so lange auf dem Server, bis man es löscht. Aber Achtung: Es gibt Anbieter, die ein Löschen von Pads nicht gestatten. Diese sollte man wirklich nur für Texte verwenden, die später ohnehin der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – und die keine despektierlichen Kommentare enthielten, die später gelöscht wurden ;-).

Vorteile

Gerade im Zusammenspiel mit Skype oder ordinärem Telefon kann man in Echtzeit zusammenarbeiten und gemeinsam Ideen entwickeln, als würde man in einem Büro sitzen. Möglicherweise sogar noch besser, denn wer lässt sich normalerweise beim Arbeiten schon gerne über die Schulter schauen? Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Textverarbeitung kann man hier das Speichern nicht vergessen. Jeder Tastendruck wird aufgezeichnet und auch wenn man sich ausloggt, bleibt der letzte Bearbeitungsstand erhalten. Den Speicher-Button braucht man nur, um eine neue Revision zu erzeugen.

Nachteile

Vor allem wenn man größere Dokumente erstellen will, geht leicht die Übersicht verloren und wenn dann noch mehrere Autoren daran arbeiten, sorgt die Farbvielfalt nicht gerade für einen leichten Lesefluss. Das Fehlen der Möglichkeit, mit Tabellen zu arbeiten, kann in manchen Fällen hinderlich sein. Auch werden die Veränderungen, die man vorgenommen hat, nicht wie in MS-Word beispielsweise optisch dokumentiert (als Durchstreichungen), sondern "geschehen" einfach. Möchte man gelöschte Passagen im Entwurf vorerst erhalten, muss man sie aktiv durchstreichen.

Fazit

Wer es ausprobiert wird feststellen: Die Arbeit mit Etherpad bringt Spaß! Nach anfänglichen Spielereien entwickelt sich schnell ein effizienter Arbeitsstil. Vor allem kleinere Dokumente oder Artikel lassen sich sehr leicht gemeinsam bearbeiten, ohne dass man aufwändig Dateien per E-Mail hin und her schicken und die komplizierte Änderungsverfolgung von Word oder OpenOffice bemühen muss. Wer das nicht im großen Stil braucht (für viele Teams und Anwender) und keine vertraulichen Dokumente damit bearbeiten will, kann auf eines der zahlreichen Gratisangebote zurückgreifen. Will man dagegen die volle Kontrolle über die erstellen Texte behalten, so empfiehlt sich die Installation auf einem eigenen Server.

P.S.: Dieser Artikel ist übrigens via Etherpad und Skype erstellt worden.

Seiten, die Etherpad anbieten (mit Besonderheiten und Beschränkungen):

http://piratepad.net/front-page/: alle Pads sind public und für jeden sichtbar!
http://primarypad.com/: kostenlos sind nur public Pads, diese sind beschränkt auf max. 5 Teilnehmer
http://openetherpad.org: nur public Pads
http://kompisen.se kostenlose Teamsites
http://piratenpad.de public und Teamsites (kostenlos, deutsch)
http://pad.spline.de kostenlose Teamsites
http://typewith.me nur public Pads
http://www.edupad.ch nur public Pads sind kostenlos, sonst 480 sFr/Jahr für den Pro-Account der auch Teamsites erlaubt
http://etherpad.netluchs.de kostenlose public Pads und Teamsites, deutsch
http://meetingwords.com nur public Pads
http://netpad.com.br Portugiesisch, nur public Pads
http://TitanPad.com nur public Pads
http://pad.telecomix.org kostenlose Teamsites
http://ietherpad.com/ kostenlose Teamsites (Unbegrenzte Zahl gleichzeitiger User, es stehen nicht alle Exportformate zur Verfügung, die Zahl der Autorenfarben ist auf 8 beschränkt)

Fußnoten

[1] Subdomain: Als Subdomain bezeichnet man eine Domain, welche in der Hierarchie unterhalb einer anderen liegt. Im allgemeinen Sprachgebrauch sind damit meist Domains ab der dritten Ebene gemeint. Eine Domain, die direkt unterhalb der Top-Level-Domain (z.B. .de) liegt, wird i.d.R. nicht als Subdomain, sondern als Second-Level-Domain oder nur als Domain bezeichnet. Beispiel Top-Level Domain .de; Second-Level-Domain: auge.de; Subdomain: messe.auge.de.

 

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