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Raw-Therapee ist jetzt in der Version 3 verfügbar - ein Anlass, sich das Programm einmal näher anzuschauen. Es ist ein sehr mächtiges Tool, so dass dieser Artikel nur auf einige grundlegende Unterschiede zu anderen vergleichbaren Programmen eingeht und besonders die Stärken dieses Programms beschreibt.

Vorbemerkungen

Früher hieß das Programm "RAW Shooter Essential", zum Beispiel in der Version 2006. Es hat sowieso eine interessante Geschichte: bis V2.4.1 (September 2009) hatte es einen einzigen Entwickler (Gábor Horváth), dann wurde das Projekt im Januar 2010 in die "Public Domain" übergeführt, auch weil zu viele Benutzer dem Programmierer für ihn nicht nachvollziehbare Probleme meldeten. Nach längerer Zeit ist dann das erste Produkt der neuen Linie als Alpha-Version erschienen, und am 27.7.2011 erschien die V3.0. Es ist immer noch kostenlos - man kann aber das Projekt mit ein paar Euro über die Projektseite "sponsern" (auch bequem per Paypal über "Donate"-Knöpfe, die bei 5.- $ beginnen).

Seit dem 1.8.11 ist nun die Version 3 freigegeben, und zur Zeit (Anfang Oktober) wird auf der Downloadseite für Windows 7 64 Bit zum Beispiel die Version 3.0.1 angeboten. Versionen gibt es in 32 und 64 Bit für Windows (XP, Vista, 7), Ubuntu 10, Gentoo, OS/X 10.6 und viele andere. Dies sind die als "stable", also "ausgereift" gekennzeichneten Versionen. Außerdem kann man von dieser Seite ebenso "experimentelle" Versionen herunterladen: Hier gibt es zur Zeit die Versionsnummer 4.0.3.4. für Windows 32 sowie 64 Bit.

Schön ist, dass man diese Versionen ohne Probleme parallel - oder sogar auf einen USB-Stick - "installieren" kann.

So erschien die V3 erst einmal in Englisch (über Preferences (auf Deutsch dann: Einstellungen) aber ab dem nächsten Start auf Deutsch oder eine von 23 anderen Sprachen umgestellt) und die V4 gleich in Deutsch. Der Screenshot zeigt die friedliche Koexistenz der schon von der Benutzeroberfläche leicht unterschiedlichen Programme.

RAW-Therapee 3 und 4 nebeneinander

Übrigens, die Farbgebung lässt sich einstellen - ich habe hier "17-Gray-Red" in RAW-Therapee 3 (links) und 25-Gray-Gray in RAW Therapee 4 (rechts) gewählt, es geht auch heller, bunter und ganz anders.
RAW-Therapee ist - wie der Name schon sagt - ein RAW-Entwickler. Hier ist es immer interessant zu wissen, welche Kameras unterstützt werden. Diese Engine basiert auf dcraw, einem Linux-Projekt, auf dem viele Programme basieren - die LIste der unterstützten Kameras ist sehr lang und kann unter diesem Link eingesehen werden.

Benutzeroberfläche

Diese ist in RAW-Therapee nicht nur in der Optik konfigurierbar. In den Einstellungen, hinter denen sich übrigens vielfältige Möglichkeiten verbergen, kann ich zum Beispiel das Layout "Ein-Reiter-Modus (vertikale Reiter)" einstellen. Das Bild zeigt, wie sich das darstellt. Rechts oben das Histogramm des gerade bearbeiteten Bildes, darunter die Werkzeugpalette. Oben in der Mitte sehen wir einen "Filmstreifen" mit Bildern "aus der Umgebung" des aktuellen Bildes, links eine Komplettansicht und darunter die Bearbeitungsprotokolle. Es gibt mehrere solcher Modi.

RAW Therapee Oberfläche

Kleine - an dieser Stelle neu erschienene - Knöpfe über dem Hauptbereich erlauben unter anderem eine Beurteilung des Bilds (0 bis 5 Sterne), eine Farbvergabe als zweites Merkmal (für was auch immer - das bleibt dem Benutzer/der Benutzerin überlassen), Ausschnittbildung, Drehung, einen Weißabgleich über eine Pipette und einiges mehr. Auch unten gibt es "neue Knöpfe": zum Speichern, für die Einordnung in die Warteschlange und zur Übergabe zum Beispiel an GIMP.

Möglichkeiten

RAW-Entwickler erlauben eine Menge Einstellungen, die auf das gesamte Bild wirken, nicht aber so etwas wie "Rote Augen entfernen" oder "Eine Linie zeichnen". Die Bearbeitungsmöglichkeiten von RAW-Therapee verbergen sich in einem relativ kleinen Feld (in den Screenshots rechts oben) hinter einem Satz Reiter mit jeweils einigen Unterpunkten, die dann wiederum einstellbare Parameter haben.
Folgende Reiter mit ihren Unterpunkten sind in der Version 3 vorhanden:
- "Belichtung" mit: "Belichtung", "Lichter wiederherstellen", "Schatten/Lichter" und "Lab-Anpassungen"
- "Detail" mit: "Schärfen", "Impulsrauschminderung", Rauschminderung", "Defringe" und "Kontrast nach Detailstufen"
- "Farbe" mit: "Weißabgleich", "Kanal-Mixer", "HSV-Equalizer" und "ICM"
- "Verändern" mit: "Ausschnitt", "Größe ändern" und "Objektivkorrekturen"
- "RAW" mit: "Farbinterpolation", "Vorverarbeitung", "Belichtung", "Dunkelbild" und "Chromatische Aberration" und schließlich (nur während der Bildbearbeitung sichtbar)
- "Metadaten" mit: "EXIF" und "IPTC".
Man erkennt hieran einmal die vielfältigen "Finetuning"-Möglichkeiten, andereseits auch zum Beispiel die Unterstützung von Farb-Profilen. Nicht direkt erkennbar ist daran, dass unter anderem die Objektivkorrekturen manuell erfolgen müssen - irgendwelche Profile mit automatisch übernommenen Parametern gibt es nicht.

Die (Vor-)Einstellungen in RAW-Therapee müssten ein eigenes Kapitel füllen. Nicht nur kann man das Aussehen der Benutzeroberfläche, den Standard-Speicherort usw. festlegen, auch die Grundlagen für eine Kommunikation mit anderen Programmen werden hier gelegt. So kann man zum Beispiel den Pfad zu GIMP angeben. Warum ist das besonders erwähnenswert? Nun, beim Speichern fragt RAW-Therapee, in welchem Format die Daten denn abgespeichert werden sollen, und bietet hier auch 16-Bit/Farbe-Varianten an. Auch an GIMP kann RAW-Therapee die Daten auf Knopfdruck (zur Weiter-Bearbeitung) übergeben - und es tut das in einem temporären 16-Bit-Format. Zur Zeit wandelt GIMP das gleich in 8 Bit um - aber es dauert nicht mehr lange, bis auch dieses Programm die Daten dann in 16-Bit/Farbe weiterbearbeiten kann. Ein Quantensprung in der Qualität wird die Folge sein.

Eine Batch-Bearbeitung lässt sich zum Beispiel über den Punkt "Warteschlange" vornehmen. Die einzelnen Bilder werden dann abgearbeitet, ohne dass jedes einzelne in der Benutzeroberfläche nach vorne geholt würde - eine sehr zeitsparende Vorgehensweise.
Dazu sind weitere Aspekte wichtig: In der "Kachel" rechts unten sammeln sich die ausgeführten Bearbeitungsschritte in einem Protokoll und sind auch einzeln wieder rücknehmbar. Für die Batchbearbeitung kann man zum Beispiel auf solche Protokolle zurückgreifen, aber auch einem Bild beim Abspeichern sein eigenes Protokoll anhängen.

HIghlights

Schärfen-Dialog bei Raw-TherapeeEines davon versteckt sich hinter den Schärfemethoden. Hier hat man die Auswahl zwischen dem wahrscheinlich den meisten bekannten "Unscharf maskieren" und "RL Dekonvolution"  (RL steht für Richardson-Lucy). Dies ist eine nahezu sensationelle Methode, die in mehreren Durchgängen (iterativ) arbeitet. Mit welchen Parametern man sie einstellt, zeigt das Bild rechts. Sie arbeitet besonders gut im "rekonstruktiven" Bereich, d.h. auch bei Verwacklungen, wo ja etwas wieder hergestellt werden muss! Aber auch bei "normaler" Unschärfe wirkt das Ergebnis oft besser als beim "unscharfen maskieren" - es erhält oft mehr von den feineren Strukturen. Warum diese natürlicher erscheinende Schärfe erzielt wird, liegt an der Arbeit dieses Filters. Eigentlich sind Digitalbilder äußerst scharf, aber diese Schärfe wird - konstruktionsbedingt - durch einen vor dem Sensor liegenden "Anti-Alias-Filter" herabgesetzt. "Dekonvolution" rechnet nun quasi diesen Filter heraus, deswegen arbeitet es so erstaunlich. Die Algorithmen sollen auch im Hubble-Teleskop und in Spionage-Kameras eingesetzt werden. Auch sind sie ab der Version CS2 in Photoshop als "Smart sharpening" und auch in einigen anderen Programmen enthalten. Hier aber erhält man sie kostenlos!

Ein anderes Highlight ist meine Erachten die Möglichkeit, im Lab-Modus zu arbeiten. Natürlich werden Bilder auf einem Bildschirm nach dem RGB-Prinzip dargestellt, und physikalisch ist es sicher korrekt, die Bildbearbeitung über diese Grundfarben (Rot, Grün, Blau) vorzunehmen.
Dem menschlichen Auge aber eher angemessen erscheinen andere Modi: Lab ist einer von ihnen. Grob gesagt arbeitet der Lab-Modus mit drei Kanälen: Luminanz oder Helligkeit ist der erste (L), der zweite Angel und dritte (b) beschreiben Farbabweichungen von rot bis grün sowie blau bis gelb. Verändert man in diesem Modus zum Beispiel die Helligkeit, ändert sich auch nur diese - die Farbanteile bleiben erhalten - dies bewirkt unter anderem, dass ein aufgehelltes Bild weniger verblasst wirkt als im RGB-Modus nach der gleichen Manipulation. Im Lab-Modus gibt es also eigene Regler für Helligkeit, Kontrast sowie Sättigung, die letztere kann aber zum Beispiel mit einem Grenzwert versehen werden und man kann die drei Parameterkurven getrennt voneinander modifizieren und ihnen auch eine andere Charakteristik als "linear" verleihen. Dies erlaubt sehr feine Bearbeitungsmöglichkeiten. Helligkeit und Kontrast finden wir also im Reiter "Belichtung" zweimal: einmal unter "Belichtung" und noch einmal unter "Lab-Anpassungen". Und: im Reiter "RAW" gibt es noch einen Helligkeitsregler, der eben das "mehr" aus einem RAW-Bild heraus holen kann, was aufgrund der Tatsache, dass hier - im Gegensatz zu JPG - mit mehr als 8 Bit/Farbe gearbeitet wird (siehe auch diesen Artikel).

Ein ähnliches Prinzip wird beim Rauschmindern verfolgt: Unter dem Reiter "Detail" finden wir unter anderem die "Impulsrauschminderung" genau so wie die "Rauschminderung", die im Lab-Modus arbeitet.

Der letzte erwähnenswerte Aspekt sollte das Demosaicing nach verschiedenen Algorithmen sein. Die Sensoren von Digitalkameras tragen heutzutage (Farb-)Filter, sodass jedes Pixel im Endeffekt nur eine Farbe aufnehmen kann. ALLE Farben müssen aus den benachbarten Grundfarben interpoliert werden. Das Verfahren wendet die Kamera-Firmware schon intern bei der Erzeugung des JPG-Bildes an. Es kann aber auch auf die Rohdaten des Sensors, und genau die sind ja in der RAW-Datei abgelegt, angewandt werden. RAW-Therapee beherrscht einige besondere der hier denkbaren Algorithmen. Die Beschreibung auf der Webseite gibt dazu eine Liste der verwendbaren Algorithmen an: AMaZE, DCB, fast, AHD, EAHD, HPHD und VNG4. RAW-Therapee ist konsequent multitaskingfähig und nutzt - auch in diesen Algorithmen - die Fähigkeiten aktueller Multikern-Prozessoren komplett aus. Im Reiter "RAW" finden wir den Punkt "Farbinterpolation" ("Demosaicing"), in dem sich die verschiedenen Algorithmen einstellen und über Parameter konfigurieren lassen. So kann man die unterschiedliche Wirkung auf verschiedenartige Bilder direkt beobachten: Ein abfotografiertes Schriftstück gewinnt bei einer geeigneten Algorithmenwahl eindeutig gegenüber einem Landschaftsbild, das mit der gleichen Methode "entwickelt" wurde - und natürlich umgekehrt.

Qual der Wahl

Soll ich nun RAW Therapee 3 oder 4 einsetzen? Nun, auf 64-Bit-Systemen ist Raw Therapee 4 sicher die bessere Wahl. Schließlich ist diese Version "der erste (mir bekannte) live RAW Prozessor mit Fließkomma-Zahlenverarbeitung" schreibt einer der Entwickler in einem anderen Forum. Das allerdings erklärt auch den Speicherhunger - für die Floating-Point-Werte wird schlichtweg doppelt soviel Speicher benötigt. RAW Therapee 3 ist noch mit dem Festkomma-Standard entwickelt und kommt daher mit weniger RAM aus. RAW Therapee 4 ist auch deswegen empfehlenswert, weil die Fließkommaverwendung ungleich genauer arbeitet, viel detaillierter als die Vorversion. Überarbeitete Bilder können also in der anderen Version auch jeweils leicht verändert aussehen. Wer die 4er-Verion trotzdem unter einem 32-Bit-System laufen lassen will, sollte die /3GB-Option in der Boot.ini setzen!
Ansonsten sitzen in der 4er-Version manche Elemente an einer anderen Stelle auf dem Bildschirm - aber, wer bisher mit der 3er-Version gearbeitet hat, wird sich mit RAW Therapee 4 sicher auch gleich zurecht finden.

Fazit

Nachdem es erst mal eine Weile ein bisschen stiller bei der Weiterentwicklung dieses Programms geworden war, ist den Entwicklern mit den Versionen V3 und erst recht V4 ein guter Wurf gelungen. Die Entscheidung, nicht mehr für die Hauptzielgruppe "32 Bit" weiter entwickeln zu wollen, ist sicher eine gute gewesen. Der Umstieg auf die die "Fließkomma-Farben" ist durch die hohe Speichernutzungsmöglichkeit der 64-Bit-Betriebssysteme erst richtig sinnvoll geworden - GIMP geht ja zur Zeit auch diesen Weg.

Ein weiterer Pluspunkt ist das Manual - irgendwann gibt es das für V4 auch in Deutsch, bis dahin tut es das englische oder das für V3. Ca. 40 Seiten, und absolut begreifbar geschrieben! Beispielhaft!

Schauen Sie sich das Programm einmal näher an - und spenden Sie auch ruhig mal etwas für die Weiterentwicklung: Zum Beispiel befinden sich "Donate"-Knöpfe für 5, 10 und 25$ direkt auf der Startseite des Internetauftritts, die gleich die passende (sofern man hier einen Account hat) PayPal-Seite aufrufen. Zur Zeit sind 10.- USD ca. 7.- €, das kann man schon mal für dieses Programm investieren.

Links:

Projektseite: http://rawtherapee.com
Downloadseite: http://rawtherapee.com/downloads
Dcraw-Informationen: http://www.cybercom.net/~dcoffin/dcraw/
Der /3GB-Switch in der boot.ini: http://www.maxi-pedia.com/3GB+switch+Windows+boot.ini+3+GB